Kapitel 6: Ein gegebenes Versprechen wird eingelöst
15. Juli 1745 – London
Durch die Hilfe seines Freundes Ashley Holocomb, dem Duke of Blackfield, war es Duncan gelungen, Captain John Smith ausfindig zu machn. Duncan hatte des weiteren in Erfahrung bringen können, dass es sich bei dem Mann um einen notorischen Spieler handelte, der immer in irgendwelchen Geldnöten war.
Eine günstige Fügung des Schicksals hatte dazu geführt, dass sich sein Freund Ash am gleichen Abend wie Smith im „Black Velvet“ aufgehalten hatte. Er hatte Duncan durch einen Boten über Smith Anwesenheit in diesem Etablissement in Kenntnis setzen lassen. Duncan war daraufhin n den Club gefahren. Er hatte zunächst Karten gespielt und dabei immer ein Auge auf den Engländer gehabt, der an einem der anderen Spieltisch würfelte. Zu später Stunde war er dann zu den Würfelspielenden gewechselt und dabei ganz eine Glückssträhne erwischt. Allerdings Smith schien jedoch anderer Meinung zu sein und bezichtigte Duncan des Falschspiels mit preparierten Würfeln. Er bestand darauf, dass die Würfel zerschlagen wurden. Wie nicht anders zu erwarten, waren diese vollkommen in Ordnung.
Durch diese infame Anschuldigung lieferte Smith selbst den Anlass für ein Duell. Besser hätte es Macs Meinung nach gar nicht laufen können. Er war vor aller Augen als Betrüger bezichtigt wurden, und hatte damit berechtigten Grund, seinen Gegenspieler zu einem Duell zu fordern. Bereits im Club hatte Duncan Smith nach der Art der Waffen gefragt, die bei dem Kampf verwendet werden sollten. Die beiden Parteien hatte sich für ein Duell entschieden, welches mit Degen ausgetragen werden sollte. Es sollte am Morgen ganz in der Frühe stattfinden.
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Kurz vor Tagesanbruch standen Duncan und Ash auf einem kleinen Feld außerhalb der Stadt. Ash musterte Duncan und sagte: „Ich nehme an, dass du deine Gründe für dieses Duell hast.“
„Ja, die habe ich.“
Beide blickten zum Himmel hinauf, der sich langsam klärte und heller wurde.
„Vermutlich sind diese Gründe wichtig genug, um deine bevorstehende Reise aufzuschieben.“
Duncan dachte an Fiona und den Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie ihm von der Vergewaltigung ihrer Mutter erzählt hatte. Und er dachte an Catherine, an deren zerschundenen Köper für den sich dieser englische Dragoner verantwortlich zeigte.
„Allerdings.“ meinte er nur.
„Der Mann ist ein Schwein, Mac. Dennoch scheint es mir doch etwas weit hergeholt, zu dieser frühen Tagesstunde im nassen Gras zu stehen. Aber wenn du sagst, dass es sein muss, dann wird es wohl so sein. Hast du die Absicht ihn zu töten?“
„Ja.“ Duncan zog seine lederne Handschuhe aus und streckte seine Finger.
„Dann beeile dich gefälligst, MacLeod, damit ich mein Frühstück nicht verpasse.“ sagte Ash und konnte dabei ein kleines Schmunzeln nicht unterdrücken.
Ash ging zu Smith’ Sekundanten, um mit diesem die Einzelheiten des Duells abzuklären. Bei diesem handelte es sich um einen sehr jungen Offizier, der vor laut Angst und Aufregung ganz blass geworden war und sich allem Anschein nach fast in die Hose machte.
Nachdem die Degen von den Parteien als annehmbar befunden worden waren, machten sich die beiden Duellanten startklar und begaben sich zum Austragungsort.
Smith war bereit und wartete schon darauf gegen Duncan zu kämpfen. Seiner Meinung nach war der Degen die Waffe, die er am besten beherrschte. Er zweifelte keine Minute daran, dass er das Duell rasend schnell zu seinen Gunsten entscheiden würde können.
Natürlich konnte er nicht wissen, dass Duncan viel mehr Geschick im Umgang mit dieser Waffe hat, als er. Woher auch.
Die Kontrahenten machten ihre Verbeugungen. Dann kreuzten sich ihre Blicke. Der Kampf begann. Wenige Sekunden später berührte bereits ein Degen den anderen.
Duncan unterschätzte seinen Gegner in keiner Weise. Vom ersten Hieb an, war ihm bewusst, dass der Engländer ausgezeichnet mit dieser Waffe umgehen konnte, allerdings war der Kampfstil seines Gegners von Aggressivität geprägt. Mac parierte die Angriffe geschickt und behielt in jeder Lage einen kühlen Kopf. Er hatte es schon immer vorgezogen, ohne jegliche Emotionen zu kämpfen. Dieses Geschick hatte ihm in der Vergangenheit immer gute Dienste geleistet und diente ihm ebenso als Waffe wie Schwert, Degen oder Pistole.
Der Nebel, welcher aus dem Erdboden aufstieg, dämpfte sämtliche Geräusche. Lediglich der metallene Klang, als Degen gegen Degen schlug, war zu hören.
„Ihr wisst ganz augenscheinlich, wie man eine derartige Waffe richtig führt.“ sagte Duncan. „Mein Kompliment und meine Hochachtung.“
„Gut genug, um damit Euer Herz zu durchbohren, MacLeod.“
„Wir werden sehen.“ sagte Mac ruhig ruhig und völlig unberührt.
Die Klingen trafen erneut aufeinander.
„Ich glaube kaum, dass Euer Degen erforderlich gewesen war, als Ihr Lady Maclean vergewaltigt habt.“
Der Leutnant war für einen kurzen Moment verwirrt. Dadurch wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt. Im allerletzten Augenblick gelang es ihm gerade noch Duncans Stoss abzuwehren. Seine Gesichtsausdruck verfinsterte sich zusehends, als ihm bewusst wurde, dass er mit voller Absicht in dieses Duell geführt worden war.
Herausfordernd und völlig seiner Raserei ergeben, sagte er: „Eine Hure vergewaltigt man nicht. Was bedeutet Euch dieses Weib?“
„Ihr werdet sterben; ohne es jemals zu erfahren.“
Der Kampf nahm schweigend seinen weiteren Verlauf. Es waren zwei Kampfstile die hier aufeinander trafen. Duncan völlig emotionslos kämpfend, und Smith der vor Wut fast überkochte.
Der Engländer führte eine Finte aus und berührte für einen kurzen Moment Duncans Degen, dann ging er zum Gegenangriff über und traf Macs linke Schulter. Ein Blutfleck erschien auf dessen Jacke.
Jemand mit kühlerem Kopf hätte die Schulterwunde zu seinem Vorteil genutzt. Doch Smith sah nur das Blut, dass für wenige Augenblicke aus der Wunde tropfte und wähnte sich daher bereits als Sieger des Duells.
Duncan, der durch geschicktes Taktieren genau erkannte hatte. wo die Schwachstelle seines Gegners zu finden war, wartete zunächst einmal ab. Er parierte Hieb für Hieb. Urplötzlich wich er ein klein wenig zurück und öffnete für einen Moment seine Deckung, so dass der Bereich seines Oberkörpers völlig frei lag.
Smith’ Augen leuchteten in Vorfreude des scheinbar anstehenden Triumphes auf, als er vorwärts sprang, um Duncans Herz zu durchbohren.
Doch er hatte sich geirrt. Fast in allerletzter Sekunde schlug Mac die Waffe seines Gegners zur Seite, drehte ihm das Handgelenk um und stieß dem Dragoner, bevor dieser mitbekommen hatte, was geschehen war, die Degenspitze in die Brust. Smith war bereits tot, als Duncan seinen Degen aus dessen Körper zog. Ash kam mit dem todesbleichen Offizier, der als Sekundant fungiert hatte hinzu und untersuchte den leblosen Körper.
„Du hast ihn getötet, Mac. Der Gerechtigkeit ist damit genüge getan. Du machst dich jetzt am besten schnellstmöglich auf den Weg. Währenddessen kümmere ich mich um die Beseitigung dieses Schlamassels. Wir sehen uns dann irgendwann später.“
Kapitel 7: Ein Prinz kehrt heim
Kurz nach Duncans Abreise aus London fügten die französischen Truppen dem Heer der Engländer bei der Ortschaft Fontenoy eine schwere Niederlage zu.
Charles Edward Stuart, der daraufhin große Hoffnungen hegte, dass König Louis nun doch Partei für die Sache der Jakobiten ergreifen würde, sah sich wiederrum enttäuscht: Die Rebellion würde auch weiterhin ohne Unterstützung Frankreichs bleiben. Dennoch entschloss sich der Prinz jetzt zu handeln.
Duncan, der sowohl Vertrauter als auch Berater des Prinzen war, wusste genau, wann dieser von Nantes in Richtung Schottland aufbrechen würde.
Aus dem Erlös, dem ihm die Verpfändung der von seiner Mutter überlassenen Rubine eingebracht hatte, rüstete Charles Edward Stuart die Fregatte „Doutelle“ und ein weiteres Schiff, welches des Namen „Elizabeth“ trug aus, und wollte gen Schottland segeln.
Wenige Tage später wurde Mac die Nachricht zugespielt, dass die „Elizabeth“ von den englischen Verfolgern geschnappt und in den Hafen von Nantes zurückgebracht worden war. Die „Doutelle“ hingegen – an Bord derer sich auch der Prinz befand – hatte den Engländern entkommen können und segelte langsam aber sicher auf Schottlands Küste zu.
Am 25. Juni des Jahres 1745 betrat Bonnie Prince Charlie, wie er von den Menschen in Schottland liebevoll genannt wurde, zum ersten Mal in seinem Leben britischen Boden. Seine Ankunft erfolgte jedoch still und heimlich, und nicht, wie von vielen erwartet worden war, im großen Triumph.
Er landete auf der Insel Eriskay. Dort wurde er vom hiesigen Clanchef, dem MacDonald of Boisdale, mit den Worte empfangen, doch schnellstmöglich nach Frankreich in das ihm wohlbekannte Leben zurückzukehren. Charles Erwiderung darauf war kurz und prägnant: „Ich bin nach Hause gekommen.“ meinte er lediglich zum MacDonald.
Von der kleinen Insel an der Westküste Schottlands reisten er und sieben seiner Männer, zu denen auch Duncan gehörte, auf das Festland hinüber. Doch auch hier wurden Sie mehr besorgt denn begeistert empfangen. Um der allgemein vorherrschenden Skepsis entgegen zu wirken, entschloss sich der Prinz, Duncan und einige andere als Botschafter auszusenden. Sie sollten um die Unterstützung der Clanchiefs buhlen. Ausgerüstet mit Briefen an dieselbigen machten sie sich auf den Weg.
Der Brief an Cameron of Lochshiel wurde durch Warren Cochrane übergeben.
Lochiel sagte seine Unterstützung nur widerstrebend und schweren Herzens zu, erklärte sich letztendlich aber dennoch bereit, Charles Edward Stuart zu unterstützen. Somit hatte dieser einen weiteren Verbündeten gewonnen.
Und so begab es sich dann, dass in den frühen Morgenstunden des 19. August 1745 in Glenfinnan vor etwa 1.500 Getreuen die Standarte erhoben wurde. Charles Edward Stuart wurde in Abwesenheit seines Vaters zum Regenten erklärt. Sein Vater James zum König James VIII. von Schottland und James III. von England ausgerufen.
Duncan selbst war bei dieser feierlichen Zeremonie nicht zugegen, da er noch immer – um Unterstützung für die Sache des Jakobiten ringend – die Highlands durchstreifte.
Er stieße erst knapp zwei Tage später auf die kleine Streitmacht, die sich langsam in Richtung Osten vorwärts bewegte und nun in zunehmendem Maße an Stärke gewann.
Die Clans versammelten sich. Es wurden Gelöbnisse abgelegt. Zu den vielen Männern, die sie sich von ihren Familien verabschiedet hatten, um mit Bonnie Prince Charlie ins Gefecht zu ziehen, gehörten auch Colin und Kyle Maclean. Niemand wusste, was sie auf diesem Marsch ins Ungewisse erwarten würde, aber die Menschen hatten endlich wieder Hoffnung…
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Die Stimmung unter den Männern hätte nicht besser sein können. Wie Duncan es vorhergesehen hatte, genügten der Enthusiasmus und die persönliche Ausstrahlung von Charles Edward Stuart um die Männer zusammenzuschweißen. Dachten diese an das vor ihnen Liegende, so verschwendeten sie keine Gedanken an Tod, Niederlage oder ihre eigene Sterblichkeit, sondern vielmehr an einen Sieg und die wiederkehrende Gerechtigkeit.
Das gute spätsommerliche Wetter hielt an. Viele der Männer waren davon überzeugt, dass Gott schützend die Hand über die Sache der Jakobiten hielt. Und fast schien es so, als könne nichts aber auch gar nichts die begonnene Rebellion aufhalten.
Vergessen waren in diesem Moment der Verlust der „Elizabeth“ und damit auch der Verlust von Männern und Waffen. Dem Großteil der Männer die sich dem Prinzen angeschlossen hatten, war es so, als ob sie am Anfang eines großen Abenteuers stehen würden.
Einige Tage später erhielt der Stab um Charles Edward Stuart die Nachricht, dass unter Führung von General John Cope eine Armee in Richtung Norden entsandt worden war. Umgehend überbrachte Duncan dieses Schreiben dem Prinzen. Als dieser davon erfuhr, war in seinen Augen ein undefinierbarer Glanz zu erkennen und er lächelte. Dann sagte er: „Es geht endlich los. Wir werden kämpfen.“
„Es hat ganz den Anschein, Eure Hoheit.“
Charles Edward Stuarts ließ seinen Blick über das Lager schweifen. Hier roch es nach Pferden, Soldaten und dem Rauch, welcher von den ersterbenden Feuern herrührte, die ringsum im Lager am vorherigen Abend entzündet worden waren, um die Männer zu wärmen.
„Mich dünkt, dass heute ein guter Tag für einen Kampf ist.“ sagte Charles und drehte sich zu Duncan um, der direkt hinter ihm stand und ziemlich nachdenklich wirkte.
„Sagt es nicht, Duncan. Ich weiß, was Euch durch den Kopf geht. Ihr würdet es vorziehen, wenn Lord Murray bei uns wäre, nicht wahr?“
„Eure Hoheit, George Murray ist einer der besten Strategen und Feldmarschalle, die dieses Land je hervorgebracht hat. Er könnte…“
„Ich weiß.“ sagte der Prinz unterbrach damit Duncans Ausführungen.
„Wir haben aber doch noch O’Sullivan.“ Charles deutete durch ein Kopfnicken auf den irischen Haudegen und Glücksritter, der sich just in diesem Moment umblickte und den beiden Männern einen Blick zuwarf, dann kümmerte er sich weiter um den Abbau des Lagers.
Duncan standen die Zweifel bezüglich O’Sullivans Fähigkeiten als Heerführer buchstäblich im Gesicht geschrieben. Er zweifelte keineswegs an dessen Loyalität gegenüber dem Prinzen, hielt den Iren jedoch für viel zu draufgängerisch und wenig bedacht. Er verkniff sich jedoch, gegenüber Charles diesbezüglich jeglichen Kommentars und sagte nur schlicht und ergreifend: „Wenn es zum Kampf kommt, wird jeder Einzelne der hier anwesenden Männer für Euch kämpfen.“
„Ich harre schon der Dinge, die auf uns zukommen werden, mon Ami.“
Ebenso wie Duncan, der schon seit der Ankunft des Prinzen in Schottland in die Kluft eines typischen Hochlandschotten geschlüpft war, war auch Charles in der Tracht eines Hochländers gekleidet, wobei Kilt und Plaid die Farben des Hauses Stuarts aufwiesen, zudem trug er an seiner Mütze die weiße Konkarde - das Wahrzeichen seines Geburtshauses. Er berührte den Griff seines Schwertes, dann sah er sich um. Die Gefühle, die er für dieses Land empfand, waren tief und aufrichtig, und er bedauerte es zutiefst, dass er den Weg hierher nicht eher gefunden hatte. Wenn er König wurde, würde er dafür sorgen, dass Schottland wieder aufatmen konnte.
Seine Gedankengänge plötzlich unterbrechend sagte er zu Duncan: „Es war ein weiter, weiter Weg von König Louis’ Hof in Versailles hierher in dieses Land. Aber ich glaube es hat sich gelohnt.“
„Das war er wirklich, Eure Hoheit.“ stimmte Duncan zu. „Aber eine Reise, die der Mühe und der Strapazen wert war.“
„Als ihr Paris verlassen habt, habt ihr eine ganze Reihe gebrochener Herzen zurückgelassen. Viele der jungen Damen dort haben Euretwegen zahlreiche Tränen vergossen. Es mag Euch nicht recht bewusst gewesen sein, Duncan, aber Ihr wart einer der meist begehrtesten Männer am französischen Hof. Die hübsche Anne-Claire hat sich nach Eurer Abreise tagelang die Augen ausgeweint. Sie konnte nicht verstehen, warum ihr sang- und klanglos und ohne ein weiteres Wort verschwunden seid.“
„Im Moment gibt es Wichtigeres. Ich habe keine Zeit für irgendwelche Tändeleien.“ war Macs einzige Erwiderung darauf.
Kapitel 8: Ruhmreiche Tage
Am Nachmittag des gleichen Tages setzte sich der Tross in Bewegung. Die Armee des Prinzen war auf der Suche nach Copes Truppen, als man die Nachricht erhielt, dass diese von Aberdeen nach Inverness geschickt worden waren. Somit stand den Aufständischen der Weg nach Edinburgh offen. Die ca. 3.000 Mann die sich zwischenzeitlich um Charles Edward Stuart gescharrt hatten, nahmen nach einem kurzen aber heftigen Gefecht die Stadt Perth ein. Anschließend zogen sie weiter in Richtung in Süden. Auf dem Weg dorthin wurde sie noch zwei weitere Male in Kämpfe mit Regierungstruppen verwickelt, gingen aus diesen Scharmützeln jedoch ebenfalls als Sieger hervor.
Die Siege über die Engländer hoben die Stimmung unter Charles Gefolgsleuten ganz beträchtlich. Angestachelt durch das ihnen beschiene Kriegsglück stürzten sie sich unter dem Klang der Dudelsäcke mit Schwertern und Schilden, Beilen, Äxten und sogar Heugabeln in das Kampfgetümmel und machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.
Unter den Kämpfenden waren auch Duncan, Kyle und Warren Cochrane zu finden. Und schnell wie der Wind, der über das Hochland weht, verbreiteten sich die Geschichten über die Tollkühnheit und den unbezwingbaren Mut der Rebellen.
Lord George Murray, einer der behelfshabenden Generäle, war in Perth zu den Truppen gestoßen.
Nunmehr befand man sich schon auf halbem Weg nach Edinburgh.
Die Nachricht, dass die Streitmacht von Charles Edward Stuart Sieg um Sieg erringen konnte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sogar in der Stadt Edinburgh war deswegen Panik ausgebrochen. Es kursierten die wildesten Gerüchte über die Highlander-Armee des Prinzen. So war unter anderem die Rede von Barbaren und überirdischen Kräften, die den Schotten innewohnen sollten.
Die Stadtwachen waren schon vor Tagen geflohen, und während die Stadt im tiefem Dunkel der Nacht lag, wurden die verbliebenen Wachleute von einem Trupp, der aus Mitgliedern des Clans der Camerons bestand, überwältigt und Edinburgh wurde am 17. September 1745 vom Prinzen und seiner Armee eingenommen.
Lediglich Edinburgh Castle konnte von den englischen Soldaten gehalten werden.
Der Prinz hatte die Order erlassen, dass weder geraubt, geplündert oder gar vergewaltigt werden dürfe. Sollte jemand gegen diesen Erlass verstoßen, musste er damit rechnen, auf das Schlimmste bestraft zu werden.
Durch diese Geste der Barmherzigkeit machte sich Charles Edward Stuart bei den Einwohnern Edinburghs beliebter, als es jegliche Form des Kampfes gekonnt hätte. Er zeigte den Menschen damit Gerechtigkeit und Erbarmen, ebenso, wie es einem wahren König gebührte.
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Man schrieb zwischenzeitlich den September des Jahres 1745. Seit dem Zusammentreffen in Glenfinnan war erst ein guter Monat vergangen und schon war Charles Edward Stuart dabei, sich im Hollyrood Palace einzurichten.
Als der Prinz – an dessen Seite sich auch Duncan befand – in Edinburgh eintraf, hatte sich eine riesengroße Menschenmenge versammelt, um ihn näher in Augenschein zu nehmen. Unter den Hochrufen der Bevölkerung, die ihnen beim Durchreiten der Stadt von überall her entgegen schalten, ritten sie gen Holyrood.
Duncan schien es fast so, als seien die Einwohner Edinburghs vor dem Mann, der in einen Kilt gekleidet war und die blaue Mütze mit der weißen Konkarde trug, restlos begeistert. Ganz offensichtlich war er derjenige, der den Menschen in Schottland die Hoffnung zurückgegeben hatte. Er war ihr Prinz, wenn auch nicht auf dem Papier, so doch in den Herzen. Von ihm versprachen sich die Schotten viel. Hielten sie ihn doch für die Erfüllung all ihrer Hoffnungen und Träume auf dem Weg in ein unabhängiges Schottland, Ein Schottland, das nicht mehr unter der Knute der Engländer zu leiden hatte.
„Hör dir das nur mal an, Duncan.“ Cochrane beugte sich in seinem Sattel vor und blickte sich nach allen Seiten um. „Unser erster großer Sieg. Und dann noch ein solcher Empfang. Ich denke, wir können stolz auf uns sein.“
„Himmel, stinkt das hier. Diese Stadt ist so verdammt schmutzig.“ meldete sich direkt hinter ihnen Kyle Maclean zu Wort. „Da ziehe ich doch bei weitem die Highlands vor. Hier kann man ja überhaupt nicht atmen, Igitt.“
Mit seinem kleinen Ausbruch hatte Kyle für Lacher unter den Männern gesorgt.
„Es ist bei weitem schlimmer als in Paris.“ stimme Duncan amüsiert zu.
Weit oberhalb der schmutzigen Straßen und Gassen durch die der Tross zog, trohnte auf einem Granitfelsen das altehrwürdige und geschichtsträchtige Edinburgh Castle. In der Nähe der Burg befand sich die Royal Mile, die ihrem Namen wirklich alle Ehre machte, da es sich bei derselbigen um eine wahre Prachtstraße handelte. Über diese gelangte man zum Holyrood House, dem Schloss, das schon seit Generationen von den Stuarts bewohnt worden war. Die bekannteste Bewohnerin von Holyrood war Schottlands Königin Maria Stuart gewesen. Sie hatte hier vor fast 200 Jahren gelebt und in der nahegelegenen kleinen Abtei ihren Cousin Henry, den Lord von Darnley, geheiratet. Und nunmehr schickte sich ein weiterer Spross dieser Familie an, hier seinen Hofstaat zu errichten und die Räume mit Licht und neuem Leben zu erfüllen.
Der Prinz, der an der Spitze der Kavalkade ritt, hielt vor dem Torbogen von Holyrood an, stieg von seinem Pferd und durchschritt diesen. Einige Minuten später erschien er an einem der großen Fenster des Palastes und winkte der lauthals jubelnden Menschenmenge zu. Er hatte es geschafft und Edinburgh eingenommen, was für ein erhebendes Gefühl.
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Bereits wenige Tage später musste Charles Edward Stuart unter Beweis stellen, dass die Einnahme von Edinburgh nicht durch Zufall oder Kriegsglück zustande gekommen war, denn General John Cope und seine Armee waren inzwischen in Richtung Süden marschiert. In der Nähe der Stadt Prestonpans sollte es in der Nacht vom 20. zum 21. September 1745 zum ersten Schlagabtausch der Jakobiten und einer englischen Regierungsarmee kommen.
John Cope, bei dem es sich um den Oberbefehlshaber der Regierungstruppen in Schottland handelte, hielt sich sich mit vier Regimentern in Aberdeen auf, als er die Nachricht bekam, dass die Truppen nach Dunbar verlegt werden sollten, um Edinburgh von dort aus zurück zu erobern. Als der Generalstab von Prinz Charles diese Nachricht erhielt, war Cope gerade dabei, entlang der Küste auf die Haupstadt Schottlands zu zumarschieren.
Copes Armee, die etwa 2.300 Mann zählte und sich größtenteils aus gut bewaffneten Infanteristen und Dragonern zusammen setzte, konnte zudem noch mit mehreren Kanonen und Geschützen aufwarten. Allerdings handelt es sich bei dem ihm zugeteilten Soldaten um junge und im Kampf unerprobte Männer. Die Schotten, die unter dem Prinzen dienten waren zwar nicht sehr diszipliniert, dafür aber hoch motiviert und Willens die Engländer aus ihrem geliebten Land zu vertreiben. Der Armee der Engländer standen etwa 2.500 Mann auf Seiten der Jakobiten gegenüber.
Am späten Nachmittag des 20. September erteilte der Quartiermeister und Generaladjudant des Prinzen, John William O'Sullivan, ein Mann der von sämtlichen Clanchiefs nicht akzeptiert wurde, den Befehl, dass eine kleine Gruppe aus dem Clan der Camerons die Gegend auskundschaften sollte. Die Männer wurde jedoch von den Spähern, die Cope ausgesandt hatte, entdeckt. Durch den Einsatz einer Pulverkanone wurden einige der Camerons verwundet. Nach diesem Angriff auf seine Leute teilte Donald Cameron of Lochiel, Captain in der Armee des Prinzen und Oberhaupt des Clans der Camerons, Prinz Charles mit, dass seine Männer zwar bereit waren mit ihrem Leben für ihn einzustehen, aber nicht unter der Befehlsgewalt des Iren O'Sullivan, sondern nur unter der von Lord George Murray, der von Anfang der Überzeugung gewesen war, dass eine Attacke der Jakobiten nur vom Osten her erfolgen könne und nicht aus Richtung Westen. Charles beugte sich dieser Entscheidung. Etwas anderes blieb ihm unter den gegeben Umständen auch nicht über.
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Copes Truppen hatten an einem in der Nähe befindlichen Sumpf Stellung bezogen. In der Annahme, dass niemand so verrückt sei, diesen Weg in der Nacht zu nehmen und einen Angriff über dieses Terrain zu wagen, wähnten sich die Engländer schon als Sieger der Schlacht. Doch weit gefehlt, es sollte anders kommen als von ihnen angenommen.In den frühen Morgenstunden des 21. September mobilisierten sich die Jakobiten und setzten sich unter Zurücklassung der ihnen zur Verfügung stehenden wenigen Pferde in Bewegung, um sich auf einem geheimen Pfad, den Lord George von einem Einheimischen gezeigt bekommen hatte, still und lautlos zu nähern. Die Kampfhandlungen begannen, als die Hochländer urplötzlich und ohne Vorwarnung inmitten der Regierungsarmee auftauchten und diese sprengten. Die linke Flanke der Jakobiten, in welcher die Camerons, die Stewarts of Appin, die Atholl Brigade und die MacGregors kämpften, begannen den Angriff auf die Hannoveraner und die Dragoner von Colonel Gardiner. Unter dem Kommando von Murray waren die 800 Camerons schon lange in Aktion, ehe sich der Rest der Highlander-Armee überhaupt in Bewegung gesetzt hatte.Als die Camerons angriffen, entschied sich Colonel Whitefood , der auf Seiten der Engländer kämpfte, die Kanonen einzusetzen und ließ diese durch seine Soldaten in Stellung bringen und feuern. Doch auch deren Einsatz nützte der Regierungsarmee wenig, denn es wurde lediglich eine Privatperson getötet und einer der Offiziere aus Lochiels Regiment verwundet. Der Versuch von General Cope seine Männer anderweitig zu positionieren, scheiterte ebenso kläglich, da die Männer von Prinz Charles, die zum überwiegenden Teil mit zweihändigen Breitschwertern bewaffnet waren, die Rotröcke so in Angst und Schrecken versetzten, dass sie in alle Richtungen auseinander stoben und ihr Heil in der Flucht suchten, sofern sie nicht gefangen genommen worden.
Duncan, der ein Schild in der einen und ein Schwert in der anderen Hand hielt, kämpfte an der Seite der Camerons und der MacGregors. Und schnell zeichnete sich ab, dass die englischen Regierungstruppen zum wiederholten Male der geballten Kraft der Rebellen nicht standhalten konnten. Die Schotten kämpften wie entfesselt. Die Wucht ihres Angriffs war einfach zu viel für die Engländer, die diesem nichts weiter entgegen zusetzen hatten. Die vordere Linie brach auf, die Kavallerie stürmte nach vorn. Man hörte das Stampfen von Hufen und sah das Aufblitzen von Schwertklingen. Stellenweise war der Rauch, der von den Kanonen und den anderen Geschützen ausging, so dicht, dass die die Männer auf beiden Seiten in einem undurchdringlichen Nebel kämpften. Weithin waren die Schreie der Soldaten zu hören, die durch Schwerter, Bajonette oder den Einschlag der Kanonenkugeln starben. Es roch nach verbranntem Fleisch, Schweiß und Blut.Nicht einmal fünfzehn Minuten hatte die Schlacht gedauert, die zur fast vollständigen Vernichtung von Copes Armee geführt hatte. Die englischen Dragoner flüchteten in den Schutz der Berge. Das Gras und die in der näheren Umgebung befindlichen Felsen und Steine waren mit Blut besudelt. Überall am Boden waren Tote und Verwundete zu sehen. Im Gegensatz zu den Jakobiten, die nur etwa 40 Tote und 75 Verwundete zu beklagen hatten, sah die Statistik auf der gegnerische Seite nicht halb so gut aus. General John Copes Armee hatte in der Schlacht von Prestonpans 300 Leute verloren, 500 waren verwundet und etwa 1.400 gefangen genommen worden. Zu dem spärlichen Überrest, der sein Heil in der Flucht gesucht hatte, gehört auch Cope selbst. Er flüchtete nach Berwick upon Tweed und wurde durch diese Aktion zum Gespött der Menschen. Schließlich und endlich war er der erste General, der die Nachricht von seiner eigenen Niederlage überbrachte. Ein absolutes Novum in der englischen Militärgeschichte.
Zu den Toten, die es auf jakobitischer Seite gegeben hatte, gehörten unter anderem James MacGregor, der Sohn des berühmten Rob Roy MacGregor und zwei Offiziere aus Lochiels Regiment. Hierbei handelte es sich um Allan Cameron of Lundarva und einem Mann namens James Cameron.Nach diesem vollkommenen und relativ einfach errungenen Sieg über die Engländer war Charles Edward Stuart mehr denn je davon überzeugt, dass er und seine Armee unbezwingbar waren und der Sieg Gottes Wille gewesen sei. Sein Augenmerk richtete sich nunmehr in Richtung Süden und zwar auf England...
© Norina Becker (April 2009)
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